Beitrag 4-2017

Der Wohlfahrtsstaat zerstört die Wohlfahrt und den Staat

(Robert Nef)

Im Zentrum einer freien Gesellschaft steht nicht das isolierte Individuum, sondern der mündige, gesellige Mensch, der in vielfältigen, mitmenschlichen, familiären, freundschaftlichen, nachbarschaftlichen und beruflichen Beziehungen lebt und der das Wohlergehen anderer aus freien Stücken zu seinem Hauptanliegen macht, weil es auch die Basis seines eigenen Wohlergehens ist, sein „aufgeklärtes Selbstinteresse“, seine Privatautonomie.
Der Titel dieser Schrift „Der Wohlfahrtsstaat zerstört die Wohlfahrt und den Staat“ ist zunächst eine Provokation. Es ist eigentlich eine Frechheit, etwas so Wohlvertrautes und Populäres wie den Wohlfahrtsstaat zum potentiellen Gegner der gemeinsamen Wohlfahrt zu statuieren, die für viele Menschen der wichtigste Staatszweck ist.
Die Provokation geht noch weiter: der Staat als solcher wird als potentielles Opfer dargestellt. Reine Panikmache? Mobilmachung eines zynischen Sozialabbauers? Haben wir es gar mit einem verkappten Todfeind des Staates zu tun, der mit einer gewissen Schadenfreude das „Ende des Nationalstaates“ voraussagt: Tod durch Überforderung, durch Auszehrung, durch die Schuldenfalle, gestorben an den Rezepten, welche jene verschrieben haben, die ihn retten wollten und die es gut mit ihm meinten?
Es geht in dieser Schrift nicht in erster Linie um eine Provokation. Im Zentrum steht vielmehr die Sorge um die Zukunft des Staates. Der Staat ist der Hort des Rechts, und auf eine rechtsstaatliche Minimalbasis möchte kaum jemand verzichten. Ein durch wohlfahrtsstaatliche Überforderung wirtschaftlich und moralisch bankrott erklärter Staat könnte aber seine ureigensten Grundaufgaben, nämlich den Schutz der Freiheit und die Gewährleistung der Ordnung nicht mehr wahrnehmen. Darum lohnt es sich, darüber nachzudenken, wie dieser Bankrott vermieden werden kann.

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Beitrag 3-2016

Korporatismus – Ein Auslaufmodell?! | Beitrag 3-2016

(Andreas Köhler)

„Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit und neues Leben blüht aus den Ruinen“. Ausgerechnet dieses Zitat aus Wilhelm Tell von Friedrich Schiller und die daraus abgeleiteten Fragestellungen sind relevant für die Fragstellung im Titel: „Korporatismus- ein Auslaufmodell ?!“ Das Alte, der Korporatismus, die gemeinsame Selbstverwaltung stürzt, die Zeiten und damit die Gesundheitsversorgung in Deutschland ändern sich und deshalb blüht neues Leben aus welchen Ruinen, bitte?

Zu den Ruinen kann man sich leicht äußern, man muss nur in die Standespresse einsteigen, etwas was man angesichts so mancher martialischer Äußerung nur bedingt empfehlen kann: „Gesundheitsminister geht auf Ärzte los“ steht da in der Deutschen liebstes Leitmedium, und es geht, aber das ist ja schon fast nebensächlich, mal wieder um die Terminservicestellen. Korporatismus bedeutete ja in den letzten Jahrzehnten leider nur des letzten Jahrtausends, dass sich Interessenverbände, egal, ob Ärzte, Zahnärzte, Apotheker oder Krankenkassen als gleichberechtigter Partner des Staates mit diesem auf gleicher Augenhöhe gegenüberstehen und nicht als Auftragsempfänger. Man darf sich deshalb schon fragen, warum  sich diese Form seit über 60 Jahren bestehender Partnerschaft mit dem Staat eigentlich schon seit den 70er Jahren, aber verstärkt seit 15 Jahren, umgewandelt hat  in ein eher stark hierarchisiertes Verhältnis von Staat und Interessensverbänden, das aber immer noch  als gemeinsame Selbstverwaltung ohne staatliche Einmischung tituliert wird.

 

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Beitrag 2-2015

„Jazz für Menschenwürde“ | Beitrag 2-2015

Lösungsansätze für eine dezentrale Gesundheitsversorgung (Carlos A. Gebauer)

Das deutsche Gesundheitswesen – zumal dasjenige, das wir als das „gesetzliche“ bezeichnen – ist eng mit dem sogenannten Sozialstaatsprinzip unserer Verfassung verbunden. Der „soziale Staat“, den das Grundgesetz beschreibt, sorgt sich um das Wohl seiner Bürger auch im körperlichen, gesundheitlichen Sinne. Diese Sorge erfasst Bürger unabhängig von ihrer finanziellen Leistungskraft. Auch wirtschaftlich schlechter gestellte Personen haben demnach Anspruch auf medizinische Versorgung, pflegerische Hilfe und gesundheitlichen beistand verschiedenster Art. Allerdings verfügt der Staat selbst über keinerlei eigene Mittel, alle diese Hilfen zur Weitergabe einzukaufen. Hierzu setzt er sich selbst erst dadurch in den Stand, dass er die nötigen Mittel bei anderen Bürgern – in Gestalt von Steuern, Beiträgen oder Gebühren – eintreibt. Dieses sogenannte Umverteilungsgeschäft kann ein Staat, auch ein moralisch wertvoll handelnder, sozialer Staat, indes nicht ohne alle Schranken betreiben. Er hat Wegnahme hüben und Zuteilung drüben in einem ausgeglichenen Verhältnis zu halten, um seine Gesamtlegitimation als Rechtsstaat nicht infrage zu stellen. Zwangsläufig gerät dieses Umverteilen irgendwann an Grenzen, wenn den Gebenden nicht immer noch mehr genommen werden kann, ohne zuletzt deren eigene Lebensführung nachteilig zu beeinflussen. Zugleich stößt das Umverteilen an der anderen Seite an Grenzen, wenn der Pflichtversicherte plötzlich durch seine unausweichlich angeordnete Teilnahme am System schlechter gestellt ist als er stünde, wäre er zur Mitwirkung erst gar nicht genötigt worden. Auch ein sogenannter Sozialstaat hat jedenfalls die Menschenwürde aller seiner Bürger zu achten. Damit befasst sich der erste nachstehende Text. Dass dies im Hinblick auf Gesundheitsangaben datenschutzrechtlich problematisch sein kann, erörtert der zweite Text, während der dritte die Frage nach faktischer staatlicher Sterbehilfe aufwirft. Indem schließlich musikgeschichtlich der Weg zum Jazz als Vorbild auch für ein staatliches Gesundheitssystem beschrieben wird, werden – hoffentlich – erste Lösungsansätze für eine dezentrale Gesundheitsversorgung aufgezeigt.

 

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Beitrag 1-2015

„Gesund ist, wer wählen darf“ | Beitrag 1-2015

Eigenverantwortung im Gesundheitssystem: Der Zusammenhang von Gesund- und Wahlfreiheit (Franz Porzsolt)

Wer hinterfragen will, ob Wahlfreiheit gesund macht, muss Zirkelschlüsse wie auch kryptonormative Aussagen erkennen und sich mit den unterschiedlichen Effekten auseinandersetzen, die entstehen, wenn Menschen mit starken oder schwachen Präferenzen auf ihre Wahlfreiheit verzichten müssen, um randomisiert werden zu können. Die Bereitschaft, auf die Wahlfreiheit zu verzichten, spaltet Ärzte, Patienten und Wissenschaftler in zwei Lager: Beide Lager verstehen, dass man in einem Heilberuf keine isolierten, spezifischen Effekte vermitteln kann, ohne nicht gleichzeitig unspezifische Effekte zu induzieren. Eines der beiden Lager akzeptiert aber nur Messmethoden, die unspezifische Effekte ausblenden. An ausgewählten Beispielen wird gezeigt, dass dieses Ausblenden auch nicht die gesamte Wahrheit aufdeckt, sondern eben nur eine andere. Dass alle Menschen Risiken vermeiden wollen, haben Nobelpreisträger aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften nachgewiesen. Dass vor allem kranke Menschen nicht nur Risiken reduzieren, sondern sich vor allem sicher fühlen wollen, glaubt jeder. Es ist aber noch nicht nachgewiesen. Wir erklären in unserem Aufsatz zwar den Unterschied zwischen Risikoreduktion und Gefühlter Sicherheit, können aber nicht klären, ob wir wegen des fehlenden Nachweises darauf verzichten sollen, den Patienten Gefühlte Sicherheit – in ethisch vertretbarem Rahmen – zu vermitteln. Es sollte deutlich gemacht werden, dass wir uns das Leben zu einfach machen, wenn wir das Kind einfach mit dem Bade ausschütten. Ob Wahlfreiheit gesund macht, ist deshalb keine triviale Frage, auch wenn manche meinen, es handle sich um eine „Badewissenschaft“. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Gesundheitsversorgung „baden gehen könnte“ wenn wir uns dieser Frage nicht ernsthaft annehmen.

Download Beitrag 1 | 2015 | Stiftung Privatmedizin